Bereits im vorhergehenden Abschnitt wird klar, daß durch das Internet mehrere Wege zum Datenaustausch und zur Kommunikation möglich werden. Sie unterscheiden sich von einander im Hinblick auf ihre Bedienung und Komfortabiliät, die Möglichkeit der Gestaltung der Nachrichten, die dafür nötige technische Ausstattung und die Zahl der Teilnehmer.
Im Nachfolgenden beschreibe ich diese unterschiedlichen Anwendungen, sofern
sie primär zur Kommunikation und zur verbalen Informationsübermittlung dienen;
Programme und Dienste, die vornehmlich für den Datenaustausch geschaffen sind
wie etwa Napster und ftp oder die heute zunehmend seltener oder
gar nicht mehr zur Anwendung kommen wie telnet und gopher, werden
hier nicht berücksichtigt.
Was genau diese unterschiedlichen Kommunikationswege im Hinblick auf den Austausch
unter Betroffenen leisten können, wird in Teil V dieser Arbeit erläutert.
Die Email war die erste Anwendung, die dem damaligen ARPAnet den ersten großen Popularitätsschub bescherte. Es schien, als habe das Bedürfnis des Menschen, schnell und problemlos zu kommunizieren und sich unabhängig von räumlicher Distanz mit anderen auszutauschen, dieses Netz, das ursprünglich nur zur Rechner- und Ressourcenvernetzung und zum Austausch von Daten geschaffen wurde, erst richtig interessant gemacht (vgl. Musch, 1998, S. 19f.).
Voraussetzung für die Nutzung von Email ist der Zugang (Account) auf einen bestimmten Mailserver, der Versenden und Empfangen der Daten möglich macht. Abhängig von Account- und Servername bildet sich die entsprechende Mailadresse des Benutzers, getrennt durch das @-Zeichen (zum Beispiel: nadine-peetz@web.de). Wenn auch viele kostenlose Mailanbieter den Emailabruf auf ihrer jeweiligen Webseite anbieten, so ist doch der Empfangen, Entwerfen und Versenden von Mails mit einem entsprechenden und oft kostenlos erhältlichen Emailprogramm wie etwa Eudora oder Pegasusmail deutlich komfortabler (vgl. Krüger & Funke, 1998, S. 13).
Absehen von der Schnelligkeit und der einfachen Bedienung des Mediums hat Email gegenüber anderen Kommunikationswegen wie etwa Telephon den Vorteil, daß die Nachricht auf dem Mailserver des Anbieters liegt und dann vom Empfänger in einer ihm passenden Zeit abgerufen und beantwortet werden kann (vgl. Reichhardt 2001, S. 28): Mit einer Mail erreiche ich jemanden, ohne daß er dafür zuhause sein muß, und ich störe ihn nicht wie etwa bei einem Anruf während einer wichtigen Tätigkeit.
Einen weiteren Vorteil bietet Email durch die Möglichkeit, unterschiedlichste
Daten an die Mail anzuhängen und so etwa Arbeitsvorlagen zu bearbeiten und
dann an das Team weiterzuleiten oder auch den entfernt wohnenden Freunden
die Bilder vom letzten Urlaub zu zeigen.
Daß solche Anhänge auch zerstörerische Informationen und Programme enthalten
können, wird in den Teilen VI 5 und VIII 2 dieser Arbeit gezeigt.
Die sogenannten Newsgroups, aus denen das Usenet besteht, nutzen Email als Basis. Die an eine Newsgroup versandten Mails landen auf einem Newsserver, der diese Nachrichten verwaltet (vgl. Reichardt 2001, S. 29) und zum Abruf mit den meisten Emailprogrammen, einem speziellen Newsreader oder inzwischen auch online auf Internetseiten zur Verfügung stellt (zum Beispiel bei web.de oder google). Beiträge, die an Newsgroups verschickt wurden, sind also für jeden Internetbenutzer zugänglich, solange sie noch auf dem Newsserver liegen.
Aufgeteilt sind diese Newsgroups nach Themen:sci.psychology.psychotherapy
etwa besagt, daß sich die Gruppe mit einem wissenschaftlichen Thema befaßt (sci), nämlich mit Psychologie (psychology), und noch genauer mit Psychotherapie (psychotherapy) - die Eingrenzung des Themas der Gruppe erfolgt also von links nach rechts. Diese Gruppen sind ebenso wie Gruppen mit den ersten Namensbestandteilen rec (recreation = Unterhaltung und Freizeit), comp (Computer und EDV) oder talk (persönliche Kontakte) englischsprachig.Das Usenet ist neben Email und Mailinglisten einer der ältesten heute noch genutzten Dienste des Internet und wird seit rund zwanzig Jahren intensiv frequentiert. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum sich dort eine ganz eigene Kultur der Kommunikation entwickelt hat, die Neulingen zuweilen fremdartig vorkommen mag. Hingewiesen sei hier auf die Punkte der Netiquette im Usenet, die einige Umgangsformen im Netz festlegt und deren Lektüre neuen Nutzern regelmäßig ans Herz gelegt wird, wenn sie die erfahrenen Benutzer zum xten Mal nach Zitierregeln im Usenet fragen oder gegen die Regeln verstoßen.
Neben anderen Informationen wie FAQ
und dem Glossar, das usenetspezifische Begriffe Ausdrücke erläutert, ist diese
Netiquette jedem Usenetbenutzer zugänglich.
Unter anderem zeigt sich hier der usenetinterne Jargon, der sich inzwischen
auch teilweise auf andere Internetbereiche übertragen hat. Als Beispiel mögen
hier Abkürzungen wie "imho" (in my humble opinion - meiner bescheidenen
Meinung nach), DAU (dümmster anzunehmender User) oder Ausdrücke
wie "jemanden plonken" (seine Beiträge nicht mehr lesen, nachdem
jemand häufiger unangenehm aufgefallen ist) dienen, von denen viele weitere
mehr existieren.
Auch bei Mailinglisten dient wieder Email als Basis. Im Gegensatz zum Usenet, dessen Beiträge jedem Nutzer zugänglich sind, steht vor der Teilnahme an einer Mailingliste ein Anmeldeverfahren. Mailinglisten bilden sich zu bestimmten Themen. über den Koordinator der Liste wird die Teilnahme an der Liste beantragt. Ist diese Anmeldung erfolgt, bekommt der Teilnehmer alle Beiträge per Mail, die an diese Mailingliste verschickt werden, und ebenso werden seine Mails an die Liste an alle anderen Mitglieder versandt. Technisch wird dies über einen zentralen Mailserver organisiert, der alle Nachrichten an eine bestimmte Gruppe, z. B. AngstundPanik@yahoogroups.de, sammelt und wieder an alle Mitglieder der Liste verteilt (Reichardt 2001, S. 28).
Die Kriterien bei der Auswahl neuer Mitglieder wird von Liste zu Liste unterschiedlich gehandhabt. So gibt es etwa zu manchen Themen Listen, bei denen eine leere Mail an den Listenserver ausreicht, um teilnehmen zu können. In anderen Listen verlangt der Moderator eine kurze Vorstellung des potentiellen neuen Mitgliedes und eine Begründung, warum er an dieser Liste teilnehmen möchte, wie etwa bei der oben erwähnten Angst- und Panikliste. Das kann geschehen, um einen gewissen fachlichen Qualitätsstandard zu erreichen bzw. zu erhalten, oder aber auch, um unerwünschte Mitleser und Schnüffler aus Listen mit sensiblen Themen herauszuhalten und so den Betroffenen einen geschützten Raum bieten zu können (vgl. Weber 1998, S. 91).
Foren und sogenannte "Schwarze Bretter" im WWW bieten weit weniger
Anonymität und Schutz vor unerwünschten Lesern, wenn sie nicht durch Passwortabfrage
oder ähnliche Authentifizierungstechniken nur einem bestimmten Personenkreis
zugänglich gemacht werden. Die Beiträge, die über Eingabeformulare auf der
jeweiligen Webseite abgeschickt und veröffentlicht werden, sind in ihrer Reihenfolge
häufig so strukturiert, daß einfach nachzuvollziehen ist, welche Beiträge
sich in welcher Reihenfolge auf einen jeweiligen Ursprungsbeitrag beziehen
(vgl. Kestler 1998, S. 34 f.).
In den fast allen Fällen hat der Betreiber des Forums die Möglichkeit, einzelne
Beiträge zu löschen, wenn sie etwa diskriminierende oder gesetzeswidrige Inhalte
aufweisen.
Beispiele für solche Foren zu den verschiedensten Themen gibt es im WWW reichlich. Besonders komfortabel zu bedienen sind sogenannte bulletin board systems (BBS), die mehrere Foren zu verwandten Themen anbieten, zwischen denen durch ein Auswahlmenü einfach per Mausklick gewechselt werden kann, ohne eine neue Internetadresse eingeben zu müssen (als Beispiel etwa www.psychologie.de).
Seine Anfänge hat das sogenannte Chatten, das "Plaudern" und Unterhalten
via Rechner und Tastatur in Echtzeit, Ende der Achtziger Jahre mit der Entstehung
des Internet Relay Chats (IRC). Hierbei handelt es sich um einen
eigenen Internetdienst, bei dem man mittels eines Programms, dem sogenannten
IRC-Client, mit dem IRC-Server verbunden wird. Die auf diese
Weise versandten Botschaften erscheinen nahezu in Echtzeit auf dem Bildschirm
jedes Benutzers, der sich zu dieser Zeit im selben IRC-Kanal, dem jeweiligen
Channel, befindet (vgl. Schestag 1998, S. 56 ff.).
Dadurch ist ein gleichzeitiges Gespräch mit mehreren Benutzern möglich, und
es entsteht tatsächlich beinahe der Eindruck einer Unterhaltung im realen
Raum.
Die Möglichkeiten, im Chat in die Rolle einer anderen Person zu schlüpfen und die besondere Sprache, die sich im Chat entwickelt hat, waren inzwischen Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Darauf werde ich den nachfolgenden Teilen dieser Arbeit noch ausführlicher eingehen.
Eine bestimmte Software macht es bei diesen Anwendungen möglich, mit ausgewählten
Internetnutzern über ein kleines Fenster, das in etwa einem Chatfenster ähnelt,
zu kommunizieren. Wie bei der Email bekommt nur die jeweils angeschriebene
Person die Nachricht nahezu in Echtzeit zugestellt.
Die Besonderheit bei diesen Programmen ist, daß man genau zu sehen bekommt,
welche Personen aus der Kontaktliste gerade online sind. Je nach Konfiguration
der Software kann man mit allen Personen kommunizieren, die diese Software
auch haben, oder man kann andere nur mit ihrer Zustimmung in die eigene Kontaktliste
eintragen.
Teilweise verfügen diese Anwendungen auch noch über interessante Zusatzfunktionen,
wie etwa den Transfer von Daten, Kurzmitteilungsversand, integriertem Chat,
Internettelefonie oder Terminplaner.
Die Möglichkeit, Informationen auf WWW-Seiten darzustellen und damit Informationen und sich selbst als Person im Internet zu präsentieren, machte aus dem Internet das WWW und ließ es ungeahnte Popularität erfahren (vgl. Musch 1998, S. 23). Wenn auch Internetseiten kein zweiseitiger Kommunikationsweg im eigentlichen Sinne sind, so möchte ich sie hier doch mit erwähnen; zum einen, weil sie neben Email den größten Teil der Netznutzung ausmachen, und zum anderen, weil auch dort Wege zur Kommunikation angeboten werden, wie etwa integrierte Foren, Mailhinweise oder Gästebücher.
Die DENIC eG, zuständig für die Registrierung von Domainnamen mit der Endung .de, meldete Anfang 1997 lediglich 50 000 registrierte de.Domains. "Etwas mehr als zwei Jahre später, im April 1999, waren es schon 500.000. In den kommenden zwei Jahren verdoppelte sich die Domainzahl im halbjährlichen Rhythmus." (denic eG)
Die Notwendigkeit für Firmen und Organisationen, im Internet präsent zu sein,
sowie Programme, die das Erstellen von Homepages auch für den Anwender ohne
html-Kenntnisse
möglich machen, läßt die Zahl der Seiten im deutschsprachigen Raum weiter
wachsen: "Zur Zeit kommen monatlich zwischen 80.000 und 90.000 Namen hinzu,
umgerechnet also etwa zwei Stück pro Minute. Mit 5 Millionen Domains ist .de
inzwischen das größte Länderkürzel weltweit." (denic
eG)
Ein besonders Element der privaten Homepage stellt das Onlinetagebuch
oder auch Weblog (Log steht in diesem Fall für Logbuch) dar. In regelmäßigem
Abstand und mit einem chronologisch geordnetem Archiv berichten immer mehr
Schreiber auf ihren Internetseiten von mehr oder weniger persönlichen Ereignissen
und Gedanken. Durch das Stöbern in den Linklisten anderer Tagebücher, über
Verzeichnisse oder auch sogenannte Webringe (1,2,3),
denen die Seiteninhaber beitreten können, kann man über Links zu anderen Schreibern
wechseln, neue Tagebücher kennenlernen und so seine Favoritenliste der regelmäßig
angesurften Weblogs zusammenstellen.
über die auf Onlinetagebüchern oft angebotenen Kommentarfunktionen findet
Interaktion ebenso statt wie mit Verlinkung und Kommentaren über das Gelesene
im eigenen Weblog.
Die Themen dieser Tagebücher sind so unterschiedlich wie die Betreiber selbst: Vom ganz normalen Alltag und Tagesablauf wird ebenso berichtet wie über interessante Links, Nachrichten und Software; andere sind mit Gedichten, Graphiken oder selbst verfaßten Geschichten gefüllt. Einige Tagebücher befassen sich auch mit dem Verlauf einer selbst durchlebten Erfahrung oder Krise (1,2). Leserreaktionen in Gästebüchern und anderen Kommentarmöglichkeiten auf diesen Seiten lassen vermuten, daß diese Berichte mit Interesse gelesen werden und auch Anstoß zum Bewältigen eigener, ähnlich gelagerter Problemstellungen geben.
Seit einiger Zeit gibt es für die Archivierungs- und Publikationsarbeit, die mit einem Weblog einhergeht, spezielle Redaktionssysteme bzw. Software (1,2,3,...). Mit teilweise vorgefertigten Layouts und einem einfachen Eingabefeld für den Texteintrag wird so auch html-unkundigen Schreibern das Publizieren erleichtert; Mit mehrfach vergebbaren Zugriffsrechten ist das Schreiben mehrerer Personen möglich, auch kann das Weblog "verborgen bleiben", also nur den registrierten Schreibern selbst zugängig gemacht werden.
Meines Erachtens nach könnte diese Technik auch beim Zusammenschluß und problembezogenem gegenseitigem Austausch von Menschen mit psychischen Problemlagen Anwendung finden, jedoch ist mir bisher kein konkretes Beispiel begegnet, bei dem diese Technik zu diesem Zweck zum Einsatz kommt.