VIII. Schlußfolgerungen zum Thema Internet

Die Debatte, die in den Medien über das Internet und seine Dienste geführt wird, ist weniger von der Suche nach Lösung der Probleme und Hindernisse geprägt, sondern zielt vielmehr auf spektakuläre Thematisierung und Moralisierung einzelner Bereiche ab, wie das etwa bei Kinderpornographie und Datensicherheit der Fall ist. Nach dieser Polarisierung ist es schwierig, in einen rationalen und differenzierten Dialog über das Medium einzutreten und mögliche Ver-besserungen zu diskutieren (vgl. Debatin 1999).

Meines Erachtens sollten besonders die nachfolgenden Punkte beim Umgang mit dem Medium berücksichtigt und Teil einer sachlichen und lösungsorientierten Debatte über das Internet und seiner Nutzung sein.

 

1. Nutzerzahlen

Daß die Zahl der Internetnutzer sowohl in Deutschland als auch weltweit in den nächsten Jahren zunehmen wird, ist abzusehen. Durch sinkende Gerätekosten, günstige Verbindungstarife oder sogar zeitunbegrenzte Nutzungsmöglichkeit zum Festpreis, sogenannte Flatrates, wird sich für immer mehr Menschen die Chance bieten, im Netz recherchieren und kommunizieren zu können.

Zusätzliche Förderung erfährt dieser Trend durch Bestrebungen auf deutscher und europäischer Ebene: Die Initiative eEurope etwa soll "in erster Linie jeden Bürger, jeden Haushalt und jede Schule, jedes Unternehmen und jede Verwaltung ans Netz führen; ein digital mündiges Europa mit einer Unternehmenskultur schaffen, die zur Finanzierung und Entwicklung neuer Ideen bereit ist; gewährleisten, daß der Gesamtprozeß alle Schichten erfaßt, das Vertrauen der Verbraucher gewinnt und den sozialen Zusammenhalt stärkt." (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2000, S. 2).
Diese Forderungen sollen durch genaue Zielvorgaben und deren jährlichen überprüfung bis zum Ende des Jahres 2003 realisiert werden.

Trotz dieser Initiativen zur Förderung von Internetzugängen wird aber vor allem in der Dritten Welt den meisten Menschen der Zugang zum Netz und somit zu einer nicht unerheblichen Wissens- und Kommunikationsressource verschlossen bleiben.

 

2. Sicherheit

Zunehmend wird in den Medien bei aktuell entdeckten Computerviren gewarnt; der im Mai 2000 aufgetauchte Email-Virus mit der Betreffzeile "I love you" inspirierte den SPIEGEL für die Ausgabe 20/2000 sogar zu einem Titelbericht zum Thema Viren und Sicherheit im Netz. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht von neuen Viren oder Sicherheitslücken in Anwendungen berichtet wird (1,2).

Tatsächlich geht von Viren, fehlerhafter Software und Spionageprogrammen eine ernstzunehmende Gefährdung für Anbieter von Internetservices als auch für den Endverbraucher aus: Daten können über vermeintlich sichere Verbindungen ausspioniert und mißbraucht werden, zudem können Hard- und Software durch Angriffe von außen Schaden nehmen oder völlig zerstört werden bzw. große Netzwerke durch sogenannte DOS-Angriffe (denial of service) wie zum Beispiel Kettenreaktionen beim Verschicken von Mails lahmgelegt werden.

Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik nennt als Hauptgefährdungen unter anderem Programmierfehler bei Software, sogenannte trojanische Pferde (die Passwörter und persönliche Daten unbeobachtet an andere Nutzer weiterversenden), Abfang von Daten auf dem Weg zu ihrem Ziel, leicht zu erratende Passwörter wie etwa den eigenen Vornamen und aktive Inhalte wie Java oder ActiveX auf Webseiten, die vom Anwender unbemerkt Programme starten können (vgl. Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik 2001).

Wenn auch in Boulevardmedien immer wieder das Bild vom findigen Hacker gemalt wird, der mit seinem Wissen im Handumdrehen auch die bestmöglichst gesicherten Systeme knacken kann, so ist es doch mit einigen einfachen Mitteln möglich, sich relativ sicher im Netz zu bewegen. Als Schutzmöglichkeiten gelten etwa die Kontrolle der Internetverbindung (um die automatische Herstellung einer Verbindung durch sogenannte 0190-Dialer zu vermeiden, die zu deutlich höheren Preisen als seriöse Serviceprovider abrechnen), das Löschen ungenutzter Programme, Blockieren der automatischen Ausführung von aktiven Inhalten auf WWW-Seiten und die Auswahl "guter", nicht offensichtlicher Passwörter (vgl. Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik 2001).

Zudem sollte man es sich zur Angewohnheit machen, eingegangene Mails und deren Anhänge nicht automatisch zu öffnen oder vom Mailprogramm öffnen zu lassen; Das automatische öffnen und Ausführen von Anhängen kann bei jedem Mailprogramm mit mehr oder weniger Aufwand deaktiviert werden.
Eine Möglichkeit, um im Mailverkehr größtmögliche Anonymität zu erreichen, ist der Einsatz sogenannter Verschlüsselungsprogramme wie etwa PGP (1,2). Der Empfänger erhält einen Schlüssel, mit dem er die verschlüsselte Mail lesbar machen kann.

Zur großen Verbreitung von Emailviren trägt weniger die Raffinesse der Virenprogrammierer bei; die meisten derzeit kursierende Viren basieren auf bereits bekannten und nicht wirklich neuen Strickmustern. Vielmehr ist der Grund für die Gefährdung neben nicht vorhandener, veralteter bzw. falsch konfigurierte Schutzsoftware (wie etwa Firewall und Antivirenprogrammen) vor allem die Unwissenheit und Neugierde der Anwender. Wer würde schon nicht gerne wissen, was sich hinter dem Emailanhang einer Mail verbirgt, deren Betreff verheißungsvoll "Britney Spears - just enjoy it!" verspricht?

Daß die Verbreitung von Viren in nächster Zeit abnehmen wird, bleibt kaum zu hoffen. Vielmehr wird es zunehmend Aufgabe des Nutzers selbst sein, sich ein Basiswissen über Schutzmöglichkeiten zu erwerben und entsprechend zu handeln. Unterstützt werden kann und sollte er dabei von vertrauenswürdigen Informationsquellen wie etwa den Internet Service Providern oder Institutionen, die Aufklärungsarbeit in dieser Richtung zu ihren Aufgaben zählen sollten.

 

3. Medienkompetenz

"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort,
Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten
und sich aus allgemein zugänglichen
Quellen ungehindert zu unterrichten."

(Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 5 (1))

Die Möglichkeit, im Netz publizieren zu können, macht es zu einem Medium, in dem Themengebiete und Sachverhalte auf vielfältige Weise dargestellt werden können - ein Vorteil und Nachteil zugleich, da sich so über nahezu alle nur denkbaren Themen Informationen im Internet finden, die sich aber in ihrer Präsentation und ihrem Wahrheitsgehalt sehr unterscheiden. Dies führt zu einer großen Spanne der Qualität von Internetangeboten (vgl. IV 3. dieser Arbeit).

Bereits beim Thema Sicherheit im Netz zeigt sich, daß der Nutzer persönlich für einen großen Teil seines Handels im Netz Verantwortung übernehmen muß, um nicht selbst Schaden zu nehmen oder andere zu gefährden. Es liegt an ihm, Gefahren zu erkennen und sich davor zu schützen. Ebenso muß er selbst mit dem Medium und seinen Inhalten umzugehen wissen, um es sinnvoll und erfolgreich nutzen zu können - eine Zensur von außen wäre eine Beschränkung der Meinungsfreiheit.

Ausdrücklich ausgenommen von der Freiheit der Meinungsäußerung sind Publikationen, die gegen allgemeine Gesetze verstoßen oder ehrverletzend sind. Hier wiederum zeigt sich die Besonderheit, die das Internet durch seine Globalität hat: Was in einem Land verboten ist, kann woanders legal sein, und je nach Gesetzesauslegung können Inhalte weiter bestehen bleiben, wenn nur die jeweilige Gesetzeslage in dem Land, wo der Server mit den Internetangeboten angesiedelt ist, diese Inhalte erlaubt. Eine Einigung besteht lediglich im kleinsten gemeinsamen Nenner dieser Gesetzgebung, wie etwa bei Kinderpornographie oder extrem gewaltverherrlichenden Darstellungen, die in nahezu allen Ländern verboten ist (vgl. Debatin 1999).

Vor allem in der Debatte um Jugendschutz im Internet wird deutlich, wie groß die Unklarheit darüber ist, was gezeigt werden darf und was verboten werden soll. Filtersoftware etwa unterscheidet sich durch die Auswahlroutinen, nach der sie Angebote blockiert und zuläßt: Bei einigen wird nach Wörtern im Text der jeweiligen Seiten gefahndet, die auf Jugendgefährdung hindeuten (somit blockt man mit dem Sperrwort "Sex" zwar pornographische Seiten, aber auch wertvolle Aufklärungsangebote), andere lassen keine Verbindung zu bestimmten, als gefährdend bekannten oder gemeldeten IPs zu (mit einem Filter dieser Art wurde mir selbst auch der Zugang zu "harmlosen" Seiten, wie etwa einer Literaturseite verwehrt, da sie die IP eines vormals jugendgefährdenden Angebots übernommen hatte).
Zudem besteht bei jedem installierten Filterprogramm die Gefahr, daß es trotz aller Sicherheitssperren komplett außer Funktion gesetzt werden kann.

Der einzige Weg kann meiner Meinung nach nur Aufklärung und das Vermitteln von Wissen und Techniken sein. Sowohl Jugendliche als auch erwachsene Neueinsteiger müssen auf Gefahren aufmerksam gemacht und befähigt werden, das Internet und seine Inhalte kritisch zu hinterfragen. Nur so kann ihnen mit dem Internet ein zugleich mächtiges und gefahrenminimiertes Instrument zur Information und Kommunikation in die Hand gegeben werden.

weiter zu Kapitel IX

 


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